„Wo spüren Sie im Körper, wenn Sie sich so richtig ärgern?“ – Ressourcenorientierte Coaching ist auch eine körperliche Angelegenheit

Wer sagt, dass es ihm gut geht, wird oft schräg angesehen. Wer nicht murrt und meckert, kann bei vielen Unterhaltungen nicht teilnehmen. Schon in der Schule lernen wir sehr drastisch auf das Negative, auf den Fehler fokussiert und teilweise reduziert zu werden. Rot angestrichen, hervorgehoben wird, wenn etwas nicht stimmt. Besonders mit uns selbst gehen wir sehr hart ins Gericht. Das passt nicht und das war eine schlechte Entscheidung und vom eigenen, ungenügenden Aussehen ganz zu schweigen. Meist wissen wir rational schon, dass solche Verhaltens- und Denkmuster nicht fruchtbringend sind, dass diese kontraproduktiv sind. Trotzdem gelingt oft keine Änderungen.

Bild von Ben White (www.unsplash.com)

Coaching ist lösungs- und ressourcenorientiert. Es gibt sogar Vertreter im Coaching-Bereich, die das Problem komplett ausblenden, diesem überhaupt keinen Platz lassen. Steve de Shazer hat mit seiner lösungsorientierten Kurzzeittherapie und der Wunderfrage fantastische Erfolge erzielt und beeindruckende Beratungsgespräche geführt. Das Problem war für ihn in den Beratungssituationen nicht mehr präsent, nur der Lösung und den Ressourcen räumte er Platz ein. Ist diese Vorgehensweise immer passend und ist dieser radikale Ansatz immer zielführend? Meine Antwort ist NEIN. Oft hat das Problem sich im Klienten manifestiert, hat ihm Leid zugefügt, hat ihm quälende Stunden und Tage gekostet, wurde körperlich gespürt. Diesem Leidensprozess gehört Gehör verschafft. Das braucht es, doch noch mehr braucht es folgende Grundeinstellung: Jeder Klient bringt die Lösung mit. Jeder Coachee wird seinen Weg finden und hat die notwendigen Ressourcen dazu. Es gilt diese Ressourcen, diesen Schatz zu bergen und sichtbar und spürbar zu machen. Ich wiederhole: sichtbar und nicht vergessen auch spürbar zu machen.

Bei manchen Klienten sind zunächst die Ressourcen auszugraben und bewusst zu machen, andere Coachees wissen rational sehr gut, dass da jede Menge Potentiale in Ihnen schlummern. Oft fehlt das Spüren und der Glaube daran, dass diese Stärken, diese Ressourcen ausreichend sind. Erst wenn ich eine Verbindung von den rationalen Gedanken zu den Gefühlen im Körper oder besser gesagt, zu der Verortung der Gefühle im Körper schaffe, dann ist eine nachhaltige Verankerung der gefühlten Lösungskompetenz möglich. Erst dadurch ist eine langfristige Verhaltensänderung möglich.

Klingt das zu esoterisch? Was haben Gefühle mit der Arbeitswelt zu tun? Was sucht Körperlichkeit im Arbeitsumfeld? Kurzer Gedankenausflug: Was passiert mit Ihnen, wenn Sie nervös sind? Der Körper zeigt Ihnen das sicherlich auf zigfache Weise an und hat Sie gut im Griff. Wenn Sie sich so richtig ärgern, wo spüren Sie das? Ist es der Magen, der Kopf, der bebende Brustkorb oder spüren Sie sogar, wie die Knie zittern? Gefühle leiten uns, auch in der Arbeitswelt, bei unseren Entscheidungen, im täglichen Tun. Diese Körperlichkeit können wir nützen, um Verhalten wirklich langfristig und spürbar zu ändern. Wir verankern die Lösungskompetenz im Körper und sind so immer wieder spürbar abrufbar.

Wertschätzendes, ressourcenorientiertes Coaching geht davon aus, dass wir aus dem Vollen schöpfen können. Die Stärken werden nicht nur rational zur Lösungsfindung eingesetzt, sondern auch körperlich verankert. Ich freue mich darauf, mit Ihnen auf körperliche Entdeckungs- und Veränderungsreise zu gehen.

26.09.2020